Michael Mann-Retrospektive #5
Drei Jahre nach seiner TV-Produktion sprengt Mann das audiovisuelle Medium und verfilmt den Literaturklassiker Der letzte Mohikaner mit Daniel Day-Lewis in der Hauptrolle. Dabei sind hier schon finale Stilfindungen zu entdecken, die bis heute seine Filmografie geprägt haben.
Die Geschichte der Kolonialisierung Amerikas wird durch Manns Handschrift zum Historien-Blockbuster geformt, dass versucht, alles zu bedienen, was den Begriff „großes Kino“ definiert. Somit haben wir hier nicht nur eine historisch, wie auch politisch korrekte Geschichte, die die Identifikation zu den Figuren in Form eines Liebeskonflikts auf altmodisch-simple, dennoch funktionierende Weise näherbringt. Des Weiteren haben wir hier auch einen monumentalen Score mit zugänglichen und harmonierenden Themen, die sich nie verfälscht dem dynamischen Bildgeschehen anpassen. Ja, das klingt alles viel mehr nach einem Steven Spielberg der 80er-Jahre, als nach einem Michael Mann. Dennoch kann es sich durchaus von Spielbergs Blockbuster-Ideal distanzieren.
Manns Filme sind Männerdramen. Wiederkehrend ist der unabwendbare Stolz des männlichen Geschlechtes, das die äußerliche Erscheinung des Überhandhabenden gleichermaßen als Selbstdarstellung nutzt. Zwar ist jenes Problem nicht im Protagonisten Poe wiederzufinden, der die Makellosigkeit in Person ist, doch findet sie durchaus in seinem Gegenspieler, Major Heyward, um das Herz der jungen Cora als Konflikt statt. Die Entwicklung und Bedeutung von Heyward für die Geschichte, welche ich ohne Spoiler zu erläutern versuche, ist gleichzusetzen mit dem politischen Kontext des Filmes. Seine emotionale Bindung zu Cora stellt somit eine intentionale Widersetzung von dem dar, was sein staatliches Regiment als Wohl(zu)stand voraussetzt für ihn. Das kommt nicht nur zu stande, weil Cora dem sich staatsentziehenden Poe folgt, sondern da Heyward durch diese Art von Kettenreaktion nicht im Sinne der Kolonialisierung handelt, welche der einzige Grund ist, weshalb er sein Heimatland verlassen hat. Heyward wird damit durch die reine Verfolgung seiner natürlichen Intrigen zum Staatsfeind, was Mann sparsam als Subhandlung nebenher laufen lässt und es dennoch vollkommen schlüssig, anspruchsvoll und sogar nachwirkend erzählt.
Dem gegenüber steht schließlich die Charakterzeichnung des Poes, der Vorbildsheld des Blockbuster-Kinos. In ihm steckt all der Antrieb, den ein abenteuerlicher Historienfilm braucht, um schließlich jeden mitreißen zu können. So kann man Mann auch nicht vorenthalten, er ginge zu oberflächlich mit seinem Protagonisten um. Das Besondere dabei ist nämlich, dass er es trotzdem schafft qualitativ Emotion durch die Figur zu projizieren. Bei Poe handelt es sich nicht nur um einen Helden wie aus jedem anderen Blockbuster, da er trotz allen Konvention einwandfrei in diesem Großformat mitreißt. Zwar könnte das durchaus verständlich sein für jene Art von Filmen, doch ist es dies im Verhältnis zu den tatsächlichen, erfreifenden Wirkungen letztlich nicht.
Mann-Power on! Sein Eintritt in das Blockbuster-Kino ist scheppernd und unglaublich wirksam. Nicht viele schaffen einen solch riesigen Spagat zwischen zwei Projekten, doch Mann beweist beinahe egozentrisch, dass sein Platz auf der großen Leinwand ist. Der letzte Mohikaner führt uns zu den Ursprüngen des Kinos in all seiner Harmonie, wie es uns zerbricht, mitreißt, aufbaut, vielleicht sogar inspiriert.
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