Platz 4: Der seidene Faden von Paul Thomas Anderson
Das Wunderkind unserer Zeit nimmt sich die Fashionszene im London der 50er-Jahre vor. Mit Daniel Day-Lewis in seiner anscheinend letzten Filmrolle schmückt sich das Drama mit einem ihm gerechten Hauptdarsteller, der den gerissenen Charakter des Reynolds Woodcock ehrenhaft verkörpert. Für mich ist Der seidene Faden der schwierigste Film in meiner Jahresliste, da er sich jeder Sehgewohnheit des Jahres 2018 verweigert und stattdessen den Regiestil der 50er-Jahre nachahmt. Dazu gehören lange Einstellung, der Fokus auf Dialoge, zeitintensive Charakterentwicklungen und zurückhaltende Höhepunkte. Doch das Hauptaugenmerk liegt bei der Liebesgeschichte, die aus einer gänzlich anderen Zeit stammt. Jeder andere Regisseur hätte es nur schleppend oder zäh erzählen können, doch PTA findet in der Sperre seine Freiheit und gleicht dies der Handlung.
Platz 3: Call Me by Your Name von Luca Guadagnino
Das Jahr des Coming of Age. Und auch das Jahr des Guadagnino. Gleich zwei umjubelte Werke durften von ihm 2018 hierzulande veröffentlicht werden, von denen Suspiria in meinen Augen weitaus ausbaufähiger ist als die wärmesuchende Flucht des 17-jährigen Oliver. Es reicht ein Gedanke an die Farben des Filmes, an ein einziges Bild, um all die explosiven Gefühle, die man während des Filmes hatte, wieder aufzufangen. Call Me by Your Name erinnert einen daran wie es damals war, die erste große Liebe zu finden, sich ihr hinzugeben, all die Wärme und Sehnsüchte zu verspüren, sie ausleben zu können und sie am Ende zu verlieren, wissend, dass keine kommende Zeit die des warmen Sommers gleichen wird. Wer sich in diesen Film verliebt ist selbst schuld.
Platz 2: First Man von Damien Chazelle
First Man gehört zu jenen Filmen, die ihre große Laufzeit brauchen, um sich entfalten zu können. Zwar beginnt das Weltraum-Drama mit einer lautstarken Szene, die zur frühen Zeit bereits hochspannend ist, doch ist das konträre Charakterdrama hingegen schleichend. Ähnlich wie bei Manchester by the Sea beobachten wir den krampfhaften Versuch eines introvertierten Mannes wieder ein Lebensgefühl zuzulassen. Dafür schöpft Chazelle das Medium in allen Zügen aus und präsentiert uns raue 16mm-Aufnahmen neben glasklaren IMAX-Bildern, subtile Musikuntermalungen neben großorchestralischen Kompositionen, laute Hochspannung neben schleichenden Gefühlen, Familie neben Arbeit, Erde neben Mond. Das Rezept, was Chazelle für First Man benutzte, ging in vollen Zügen auf. Das ist ganz großes, tiefsinniges Kino.