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Die Dämonischen

31 Days of Fright 2024 – Tag 5

von Robin Längert

Noch bevor Don Siegel mit Dirty HarryFlucht von Alcatraz oder Betrogen zahlreiche Filme im New Hollywood inszenierte, schuf er ganze zwei Dekaden früher einen der bedeutsamsten Horrorfilme der Fünfzigerjahre. Ein bekanntlich äußerst tristes Jahrzehnt für jene Genrefans, besonders mit Hinblick auf Produktionen aus den USA. Doch unter dem konservativen Schatten des Hays Codes und der McCarthy-Ära schuf Siegel einen wahren Klassiker, der zahlreiche Neuverfilmungen mit sich zog, unter anderem Die Körperfresser kommen von Philip Kaufman. Wir präsentieren: Die Dämonischen.

In einer kalifornischen Kleinstadt ereignen sich seltsame Dinge, als sich einzelne Personen wie ausgewechselt verhalten. Sie haben keinerlei Empathie, Liebe oder Euphorie. Sie scheinen kaltherzige Lebewesen zu sein, doch sehen sie aus wie Personen, die einst voller Leben waren. Dr. Miles Bennell befürchtet einen Virus, dessen Ausbreitung pandemische Züge annehmen könnte.

Die literarische Vorlage von Jack Finney ist einer jener Stoffe, die geradezu universelle Deutungsmöglichkeiten hat. Nicht zuletzt dem geschuldet, dass Finney keinerlei Subtext-Intention beim Verfassen seiner Geschichte hat. Umso spannender ist es, was einzelne Filmemacher in ihre Kinoadaption projizieren und wie deren gegenwärtiges Weltgeschehen den Inhalt neu färbt. Wir erinnern uns: Letztes Jahr war es die zweite Filmadaption, die ihren Einzug in die Frights hatte. Dort ging es, wie auch in der Romanvorlage, um einen epidemischen Konformismus – in Kaufmans Film aus 1978 erzählt aus der Sicht von zwei ehemaligen linken Aktivisten, die eine Entfremdung des einst progressiven San Franciscos miterleben müssen, dessen sozialer Pioniergeist und politischer Aktivismus ausrottet. Die Zeit des rebellischen Umdenkens aus den wilden Sechziger- und Siebzigerjahren ist vorbei. Doch worauf will Siegels Erstadaption aus 1956 hinaus?

Eine große Paranoia durchkreuzte das Land, als der Zweite Weltkrieg gegen Deutschland und Japan vorbei, doch der Kampf gegen den sowjetischen Kommunismus gerade erst begonnen hat. Dieser Kampf wurde insbesondere gesellschaftlich indoktriniert unter der politischen Führung von Senator Joseph McCarthy, der eine nationale Hetz- und Hexenjagd gegen antikapitalistische Ideale unterstützte. Dabei positioniert der Film sich nicht eindeutig genug, wessen Perspektive hier allegorisiert wird – die der Gejagten zu Zeiten der McCarthy-Ära oder die der Patrioten, die eine kommunistische Verschwörung fürchten. Sollte ersteres beabsichtigt gewesen sein, so wäre es inmitten den Fünfzigerjahren auf keinen Fall in Hollywood realisierbar gewesen. Damit bleibt aus rein filmischer Sicht (unabhängig von der Person Don Siegel) offen, ob sich gar um einen Propagandafilm halten könne.

Unabhängig davon ist der Film von einer beeindruckenden Atmosphäre geprägt, die wie ein Vorreiter von Rod Serlings The Twlight Zone wirkt, die drei Jahre später ihre TV-Premiere feierte. Besonders der Einsatz von Dutch Angles und Extreme Close Ups fördern eine ständige Paranoia und Unsicherheit, die sich in den kurzen 80 Minuten Laufzeit schleichend entfaltet. Für den ein oder anderen Zuschauer mag es auch zu schleichend sein. Zusätzlich gibt es nur äußerst selten Onscreen-Horror zu sehen. Vielmehr verbirgt sich das Unheilvole in den konspirativen Dialogen, die Angst vor dem Unbekannten und dem Nicht-Greifbaren. Es ist ein Sciencefiction-Horrorfilm, der seine Mittel sparsam und dennoch gezielt einsetzt, um schließlich in seinem letzten Drittel umso virtuoser mit Sound und Stille umgehend, dessen Wechselwirkung einen beeindruckenden Effekt kreiert. Don Siegels Handschrift für Atmosphäre und dramaturgische Feinfühligkeit ist bereits hier brennend sichtbar. Ein Film, der auch noch heute gefallen kann trotz seines gemäßigten Pacings in seiner ersten Hälfte.

Empfehlenswert für Halloween, weil der schleichende Horror in seinen kalifornischen, kleinstädtischen Schwarzweißbildern immer noch einen ausdrucksstarken Charakter trägt, der mit seinem Spiel aus Paranoia und apokalyptischen Ängsten treffend funktioniert. Wer sich auf das Tempo einlässt, wird mit einer großartigen Atmosphäre, geprägt von Bild und Ton, belohnt, die zu den Besten des Fünfzigerjahre-Horrorkinos zählt.

Regie: Don Siegel
Drehbuch: Daniel Mainwaring (nach einem Roman von Jack Finney)
Produktion: Walter Wanger
Darsteller: Kevin McCarthy, Dana Wynter
Bildgestaltender Kameramann: Ellsworth Fredericks
Komponist: Carmen Dragon
Altersfreigabe: ab 16
Laufzeit: 80 Minuten
Veröffentlichungsjahr: 1956
Budget: 416.911 USD
Box Office: 3 Mio. USD

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Alive.

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