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Dunkirk

von Robin Längert

Kaum ein anderer Filmemacher hat eine solch standhafte Fangemeinde wie der Kult-Regisseur Christopher Nolan. Spätestens seit seinem Science-Fiction-Film Inception ist er aus den Köpfen unzähliger, leidenschaftlicher Kinobesucher nicht mehr wegzudenken. Grund dafür sind besonders seine virtuosen Bildern, wie auch so oft sein individueller Erzählstil. Zu seinen Lieblingsfilmen zählte der Regisseur einst u.a. Der schmale Grat von Terrence Malick auf. Überraschend ist dies nicht, vergleicht man dabei den sonderbaren, atmosphärischen Schnittstil beider Filmemacher. Umso bedenklicher war es im Voraus, (zu) viele Parallelen zwischen Malicks Kriegsfilm und Nolans Dunkirk aufzufinden. Zum Glück kann festgehalten werden, dass sich jene Bedenken schnell in Luft auflösten.

Dunkirk zeichnet eine ganz eigene und vollkommen neue Handschrift, die wieder einmal auch auf den eigensinnigen Erzählstil von Nolan beruht. Dabei ist dieser Erzählstil, wie des Öfteren in Kritiken bezeichnet, keineswegs unnötig kompliziert, sondern für die Festigung der Bezeichnung „Anti-Kriegsfilm“ besonders nötig. Durch diesen Stil erst rückt das Individuum in den nötigen Fokus, um die Empfindungswahrnehmungen überzeugend differenzieren zu können. Mehr als das „Unterscheiden“ schafft Nolan jedoch nicht, denn seine Figuren verfügen über ein äußerst geringes Identifikationvermögen.

Der Ursprung der Spannung ist zu der beeindruckenden Soundkulisse zurückzuführen, die Komponist Hans Zimmer mit einschüchternden Druck auf den Zuschauer untermalt. Ebenso begeistern die farbauthentischen Bilder des Filmes, welche den gezeigten Moment unheimlich nahe bringen. Diese drei Komponenten -Sound, Musik und Bild- schaffen das, was die Zeichnungen der Charaktere zu keinem Zeitpunkt erreichen: Ganz großes Kino.

Nolan konnte bislang nicht immer glaubwürdige Figuren schaffen, umsetzen und inszenieren. Das Problem dabei könnte an seiner Inspirationsquelle, Terrence Malicks Filmographie, liegen. Dort fungieren Charaktere oft nur als eine Art Statisten, die die Gleichwertigkeit und auch Unbedeutsamkeit aller Individuen beschreibt. In Dunkirk aber solle man sich um das Wohl der Protagonisten fieberhaft sorgen, was aufgrund ihrer blassen Umrisse kaum geschieht. Den wahren Verdienst tätigen stattdessen die technischen Künste, auf deren Schultern der gesamte Film steht.

Ein weiteres Manko sind die äußeren Einflüsse auf das Geschehen im Film, die ebenso willkürlich wie künstlich wirken. Um die Figur wird sich dabei weniger gekümmert, als um den Effekt des Events, der mit allen Mitteln in die Höhe gehoben wird. So scheint es rückblickend recht gleichgütig, wer mehr oder weniger gelitten hat, wer gestorben ist oder überlebte. Denn -und hier griff Nolan zum unangenehmen und unangebrachten Kitsch- im Krieg findet jeder am Ende seinen Frieden. Diese Message ist leider vollkommen fehl am Platz.

Letztlich sollten selbst nach dem misslungenen Ende nicht die herausragenden Qualitäten vergessen werden. Dunkirk ist schließlich ein Film für die große Leinwand, was heutzutage über die wenigsten Kinofilme gesagt werden kann. Besonders in 70mm ist die Optik des Filmes ein reiner Genuss. So beweißt Nolan auch hier wieder seine audiovisuellen und strukturellen Stärken, auch wenn die Authentizität seiner Figuren und der erzählerischen Einflüsse bedauerlicherweise oft verloren geht. Damit sei das Fazit: Finger weg von Drehbüchern, Herr Nolan!

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Warner Bros.

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