Natalie Portman ist nicht unumstritten. Manchen gilt sie als untalentiert und ihr Repertoire auf einen einzigen Betroffenheitsblick beschränkt. Wieder andere – ich eingeschlossen – halten sie für eine immer noch interessante Schauspielerin, die dieses Jahr mit „Jackie“ (endlich!) wieder in einem wirklich guten Film mitspielte und eine im Kleinen beinah monumentale Leistung brachte. Ihr, bei einer Schauspielerin ihrer Prominenz unvermeidliches, Regiedebüt Eine Geschichte von Liebe und Finsternis war Ende letzten Jahres vereinzelt auf deutschen Leinwänden zu sehen und erschien unlängst fürs Heimkino.
Als Stoff wählte sie nichts Geringeres als den gleichnamigen autobiographischen Roman von Amos Oz, der vielleicht wichtigste noch lebenden Schriftsteller Israels. Als der Roman Anfang des Milleniums erschien, schlug er riesige Wellen und wurde schon bald zum Weltbestseller; Oz‘ Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend im jungen, umkämpften jüdischen Staat ist eine dramatisch-poetische Geschichte Israels und zugleich eine liebevolle Hommage an seine Mutter, der er alles bedeutete und die noch in seiner Kindheit verstarb. Die Messlatte liegt also hoch an, besonders für einen Debütfilm; Portman nutzt diese Grundlage vor allem als Anlass zur Auseinandersetzung mit ihrer eigenen jüdischen Identität, die vor dem Hintergrund einer Familiengeschichte stattfindet. Das tragisch-hoffnungsvolle Element der Vorlage kann sie jedoch nur unzureichend überzeugend vermitteln. In diesen entscheidenden Momenten fehlt Eine Geschichte von Liebe und Finsternis die entscheidende Menge Eigenständigkeit. Das ist nunmal die Krux bei Debütfilmen, auch wenn Portman vieles besser macht als ihre Kollegen.
Aus dem Blickwinkel des jungen Amos sehen wir eine trostlose Welt. Palästina kurz nach dem zweiten Weltkrieg ist nicht die Erhoffte Rettung und die seit tausenden von Jahren ersehnte Heimat: Tausende geflohene und vertriebene Juden aus Europa, Überlebende des Holocausts müssen um die Zukunft ihres Staates fürchten, eine ständige Bedrohung und Spannungen zwischen den Juden und den arabischen Einwohnern des Gebiets liegen in der Luft. Eine omnipräsente Bedrohung ist spürbar. Amos‘ Eltern sind aus Osteuropa geflohene Juden aus dem oberen Mittelstand, sein Vater ein Intellektueller; jetzt leben sie – wie beinah alle – in prekären Verhältnissen. Natalie Portman gibt sich, ganz dem mustergültigen Filmhochschulen-Handbuch folgend, alle Mühe, diese Umstände und die daraus resultierende Hoffnungslosigkeit in die entsprechenden Bilder zu übersetzen. Sehr entfärbte Bilder an der Grenze zur Schwarz-Weiß-Ästhetik hinterlassen visuell einen monochromatischen Eindruck. Die Einstellungen zeigen fast ausschließlich Großaufnahmen, Totalen sind selten, die Ränder der Bilder werden zu Mauern, die Bilder selbst zu grauen Gefängnissen. Das mag zwar zu Beginn ein oft gesehenes, nettes Gestaltungsmittel sein, offenbart aber bald, dass Eine Geschichte von Liebe und Finsternis alles andere ist als ein reicher Film.
Der wirklich schöne Teil des Films ist die intim geschilderte und in den besten Momenten schlicht berührende Mutter-Sohn-Beziehung. Fania, gespielt von Portman selbst, opfert sich so sehr auf, dass sie nicht bemerkt, wie gebrochen sie selbst ist. Ihr beharrliches Hoffen auf eine bessere Welt für ihren Sohn, an die sie vielleicht schon gar nicht mehr glaubt sorgt dann auch für die besten Szenen, in denen sie Amos Geschichten – fast sind es Gleichnisse – erzählt. In diesen Momenten bricht auch die eingeschränkte Ästhetik auf, wird ersetzt durch Bilder einer phantastischen Welt, die ganz offensichtlich an Terrence Malick geschult sind – zum Glück nur sparsam. Sicher, diese selbstlose, engelsgleiche Mutterfigur, die an der grausamen Willkür der Geschichte – zuerst die Flucht vor den Nazis, dann der Konflikt im neuen Land – zugrunde geht, ist für manche ein Klischee. Doch für mich wirkte es. Es ist der substantiellste Teil in einem Film, der erstaunlich wenig Erkenntnisgewinn bringt. Ein unausgegorener Einstand, der aber einiges verspricht.
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