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Gilda

von Robin Längert

Zu Zeiten des Hays Codes waren sämtliche Themen, wie Homosexualität oder Sex, in Filmen strengstens verboten. Der erotische Film noir Gilda von Charles Vidor sucht sich dafür seinen eigenen Weg, wie es viele andere Filmemacher seiner Zeit ebenfalls machen mussten.

Johnny Ferrell (Glenn Ford) verdient mit Würfelspielen sein Geld, wenn auch auf unsportliche, gezinkte Weise. Während er weitere seiner Tricks im Spielkasino ausübt, wird er vom Kasinobesitzer Ballin (George Macready) entlarvt. Einem Rausschmiss kann Johnny gerade noch umgehen, indem er sich als rechte Hand des Besitzers anbietet. Das Arbeitsverhältnis entwickelt sich schließlich zur Freundschaft und fordert sogar ihr Vertrauen, wenn Ballin ihm seine neue Frau Gilda (Rita Hayworth) vorstellt – die Ex-Freundin von Johnny.

Bis zu 20 Jahre nach der Erscheinung von Gilda sollte es dauern, bis der Hays Code endlich aufgelöst werden sollte. Dieser Zwang US-amerikanische Filmschaffende nicht nur moralische Enden zu produzieren, sondern verbot auch jegliche Freizügigkeit, Obszönität, Gotteslästerung oder Erzählungen, die „grundlegende moralische oder notwendige soziale Normen verderben“ könnten. Viele Regisseure lösten jene Vorschriften gekonnt auf ihre Weise. Sei es Billy Wilder mit seinen obszönen Komödien Manche mögen’s heiß oder Das verflixte 7. Jahr, wie auch Alfred Hitchcock mit Gewaltdarstellungen in z.B. Psycho. Wirksam waren all diese Filme trotzdem. Doch Gilda ist anders.

Bereits zu Beginn möchte der Film noir viel mehr erzählen, als er letztlich darf. Somit soll die gezeigte Männerfreundschaft homoerotische Anspielungen haben, wenn auch nur sehr unterschwellig. Ebenso soll Ballin impotent sein, was sein bewaffneter Gehstock verbindlichen soll. Selber steht auch für das sadomasochistische Sexleben von Gilda und Ballin, welches die einzige Basis ihrer Beziehung ist. Doch würde man sich als Zuschauer nicht explizit auf jene Bildsprache einlassen, könnten beinahe die grundlegendsten Inhalte des Filmes abhanden kommen. Und selbst wenn man es täte, wird sie der beabsichtigen Wirkung und Intensität nicht gerecht. Stattdessen ist die Erzählung gegenüber ihren Themen zu zahm, um mitreißend genug zu sein.

Abseits jener Metaebene hat Gilda dennoch eine Handvoll unbestreitbarerer Stärken. Denn die Geschichte über Hassliebe und Eifersucht kann auch rein oberflächlich ihre Transzendenz finden. Vollends unterhaltend ist sie zudem dank dem einzigartigem Schauspiel von Rita Hayworth, die eines der großartigsten Frauenfiguren ihrer Zeit darstellt. Doch nur scheinbar spielt sie die Femme fatal. Und auch nur scheinbar spielt Glenn Ford die Identifikationsfigur, denn Gildas provokanter, rücksichtsloser Charakter wird schließlich mit der Opferrolle von Johnny getauscht. Gleichzeitig wechselt das Mitgefühl vom Zuschauer gegenüber den Figuren, was eine geradezu fiese Desorientierung auslöst. Damit spielt nicht nur Gilda mit dem Gefühlswesen von Johnny, sondern auch der Film mit dem Zuschauer.

Das Grundkonzept des Filmes ist die perfekte Prämisse für einen Film noir. Visuell passt sich Regisseur Vidor dem mehr als gerecht an, wenn die Schatten in manchen Szenen bedrückend dominieren oder jedes bestmögliche Verhalten der entsprechenden Identifikationsfigur in nächtlichen Zusammenstößen trotzdem die Abwärtsspirale fördert. Rein stilistisch hat Vidor damit alles richtig gemacht, um im stolzen Kanon des Film noir auftreten zu können. Im Grunde genommen ist er inhaltlich für das Genre sogar ein Meilenstein, denn die menschlichen und gesellschaftlichen Abgründe zwischen Selbstsucht und sexueller Begierde wurden nie größer behandelt in jener Epoche. Doch die Erotik ist eindeutig zu distanziert und gezwungen zensiert, um ihrer eigentlich Bedeutung und Größe innerhalb der Geschichte gerecht zu werden.

Gilda wird als einer der größten Film noirs seiner Zeit gehandhabt, doch hat er es aus heutiger Sicht eindeutig nicht leicht. Damals missverstanden, wird jener Film noir heute beinahe belächelt und lieber analysiert, statt gefühlt. Das mag durchaus für die Komplexität der Dramaturgie sprechen, doch wenig für seine zeitlose Wirkung, die die besten Filme haben sollten. Wohlmöglich profitiert er auch vom mehrfachen Sehen, denn in seiner Gesamtheit erscheint der distanzierteste Erotikfilm aller Zeiten rein inhaltlich beinahe monumental.

Black Friday: Jeden Freitag ein klassischer Film noir aus der schwarzen Serie.

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Sony.

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