Peter Farrelly lässt seine Slapstickfilme, wie Verrückt nach Mary oder Dumm und Dümmer, hinter sich und inszeniert mit Green Book direkt einen Oscar-Kandidaten. Fünf Nominierungen hat die „Komödie mit ernsten Tönen“ mit Viggo Mortensen und Mahershala Ali in den Hauptrollen. Doch was macht den Film so besonders, abgesehen von seinen beiden Darstellern?
Schlicht und ergreifend: Nichts. Es gibt viele Filme zum Thema Rassismus und Toleranz, die ebenso einfach wie schwer greifbar sein können. Es darf sicherlich genauso viele Filme geben, die hoch anspruchsvoll mit seinem Inhalt umgehen, wie auch kontrovers, objektiv oder klischeebehaftet – denn gerade mit Klischees ist es eine Kunst zufriedenstellend umzugehen analog zu solch ernsten Tönen. Doch Green Book ist da anders. Green Book schafft völlig neue Formen in Sachen Fehlgriff. Dort werden unerträglich schlechte Pointen zu jeder heiteren Szene gedichtet, die selbst für Slapstick-Verhältnisse zum fremdschämen wären. Denn Farrelly macht den Fehler und platziert extremistische Charaktere in einen Aufklärungsfilm, dem jegliches Gefühl von Menschenkenntnis und Weltanschauung fehlt.
Beide Hauptfiguren sind in ihrer Haltung und Ausdrucksweise zutiefst unsympathisch, was ein cleverer Kliff des Erzählens sein könnte. Somit könnte man als Zuschauer im Laufe des Filmes plötzliche Empathie empfinden und sein Mistrauen gegenüber den Figuren eingestehen. Doch Farrelly geht andere Wege. Bei ihm lernt jeder seiner Figuren mehr zu sein wie der andere, was keinen der beiden Charaktere positiv entwickeln lässt. Ein schwarzer Pianist lernt mehr schwarz zu sein, ein weißer Rassist lernt Schwarze zu mögen, während er dem Pianisten erklären kann, was es heißt schwarz zu sein. Ein Geben und Nehmen, wie man es sich nirgendwo auf der Welt wünscht.
Ebenso plakativ umgesetzt sind seine ernsten Szenen, die man auf keinen Fall mit den humorvollen Stellen des Filmes verwechseln darf. Denn Drama und Komödie werden hier strikt getrennt, ohne sich in einer Szene jemals zu treffen. Damit man den ohnehin schon lautstarken Fokus auf Ton erkennt, spielen glücklicherweise alle ernsten Szenen bei Nacht, wo es in Strömen regnet. Immerhin darf man den Zuschauer nicht zu sehr verwirren mit seinem Mix aus Drama und Komödie, mit der Befürchtung, dass der Sprung nicht verstanden wird und der Film vielleicht doch rassistisch wirken könnte. Außerdem darf sich niemand aus dem Publikum verletzt oder angesprochen fühlen in seiner Komfortzone, denn Gottseidank ist man eindeutig ein besserer Mensch als der rassistische Fahrer.
Green Book ist das Paradebeispiel für das absolute Missverstehen des Begriffes „Feel-Good-Movie“. Die Charakterentwicklungen sind inkonsequent und hohles Wunschdenken. Das Weltbild wird mit jedem seiner Figuren, einschließlich mit der unterwürfigen Hausgattin, erniedrigt. Schwarze sind integriert, wenn sie lernen in Clubs für Schwarze Rock‘n‘Roll statt Klassik zu spielen. Weiße sind erst dann keine Rassisten mehr, wenn sie einen Schwarzen als Vorzeigefreund haben (Statussymbol). Im Grunde genommen wird alles befürwortet, worüber sich in Get Out lustig gemacht wurde. Die Welt hat es 2019 bewiesen, dass sich wohl nie etwas ändern wird.
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