Die diesjährigen Frights holen mal wieder Kultklassiker des Genres nach: Im Zuge von Psycho, Der Exorzist und Hellraiser bleibt ebenso wenig David Lynchs Lost Highway unerwähnt. Dieser zählt zwar als finanzieller Flop und wird heute noch mit einem gemischten Metascore entgegengenommen, doch ist sein Kultstatus unbestreitbar. Wie viel ist an diesem unfassbaren Werk dran?
Wie bei geradezu jedem seiner Filme übernahm Lynch nicht nur die Arbeit an dem Drehbuch, sondern fertigte zudem eigenhändig das Sound Design an. Überraschend ist das keineswegs, denn die mystische Grundstimmung mit teilzeitigen Beben, wie auch brachialen Musikausbrüchen sind ein fester Bestandteil seiner Filmographie. Diese Elemente werden auch hier wieder zu etwas Außergewöhnlichem verschmolzen, wodurch sich Lost Highway zu einem mystischen Horrorfilm formt, der mit Liebe zum Detail auch hin und wieder seinen Stil bricht und sich als Film noir fortsetzt. Denn Lynchs Realitätsverarbeitung ist wie auch in Blue Velvet lediglich die Flucht ins Kino – dort, wo alles möglich ist.
Wo die audiovisuelle Umsetzung ihre Stärken hat, leidet der Film erheblich an den Dialogen, wie auch am Schauspiel. Das stilistische Mittel der Distanz und Surrealität ist zwar erkennbar, doch wirken manche Strecken des Filmes unangenehm-amateurhaft. Das trägt leider nur in einem geringem Maße zu einer besonderen Verarbeitung des Inhaltes bei. Zum Glück jedoch dominieren jene Passagen nicht den gesamten Film, sonst wäre das Endresultat keinesfalls positiv ausgefallen.
Lost Highway besticht durch eine alles verschlingende Atmosphäre, die -neben der Tonspur- von den virtuosen Bildern erzeugt wird. Optisch, wie auch inhaltlich, ist ein Kampf gegen das Dunkel zu sehen, gegen finstere Mächte, die von dem Inneren des Protagonisten heraus, zwischen dem misstrauischen Ehepaar und rundum den Figuren drängt. Als Zwischenraum von hell und dunkel, Gut und Böse, Realität und Traum, sowie Akzeptanz und Verdrängung dient der Mystery Man, ähnelnd dem Mephisto aus Goethes Faust, welcher den zerstörerischen Teil von Faust selbst darstellt. Durch ihm gewinnt der Film letztlich seine Schlüssigkeit, seine inhaltliche Formvollendung. Parallel bedienen sich alle Szenen mit dem Auftreten des Mystery Man einer furchteinflößenden Wirkung, die Lost Highway die berechtigte Bezeichnung „Horrorfilm“ geben.
Inhaltlich sollte gar nicht allzu viel ausgesprochen werden. Schließlich kann die Handlung ebenso als Teufelspakt, Body-Horror oder psychologische Traumzeichnung verstanden werden. Ob es sich bei Lost Highway damit um einen Fantasyfilm handelt, wird von jedem anders aufgenommen. Dennoch unbestreitbar ist der grandiose, vielfältige Soundtrack, der sich makellos dem Film anpasst. Denn um ehrlich zu sein: Wer bekommt keine weiche Knie beim Ertönen von Song to the Siren, während ein erlösender Sexakt das Bild inmitten einer finsteren Nacht vollends aufhellt.
David Lynchs Lost Highway liebt es zu polarisieren. Ob dies auch beim Schauspiel gewollt war, bleibt fraglich. Seiner inhaltlichen Zusammenfügung und dramaturgischen Auseinandersetzung, wie auch dem audiovisuellen Spiel kann man trotzdem nur mit Lob begegnen. Perfekt ist sein siebter Spielfilm leider nicht, doch hat er sich seinen Kultstatus regelrecht verdient.
Empfehlenswert für Halloween, weil die surreale Erscheinung des Mystery Man bereits für Gänsehaut erzeugende Stimmung sorgt. Die in Schwarz getränkten Bilder und das finstere Sound Design erheben die Nacht des Schreckens letztlich zu einer anspruchsvollen Fahrt in seelische Abgründe.
Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Studiocanal.
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