Zuerst eine kurze Geschichte, bevor wir uns mit Man-Eater befassen. Robin und Ich kamen das erste Mal mit den Werken von Joe D’Amato in Kontakt, nachdem wir 2020 auf der Filmbörse Berlin jeweils einen Film gekauft haben. Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf und Black Emmanuelle und die letzten Kannibalen. Die haben wir natürlich direkt in einem Double Feature konsumiert und uns über die komplett dilettantische Inszenierung schlapp gelacht. Frankenstein 2000 bestätigte unser Bild zwei Jahre später, dass D’Amato wirklich kein guter Regisseur ist.
Man-Eater hingegen hat auch noch heute seinen absolut berüchtigten Status und seine Indizierung. Zeit, sich also mit dem Wohl berühmtesten Werk von Joe D’Amato auseinanderzusetzen! Man-Eater ist ein Klassiker des italienischen Horrorkinos der frühen 80er Jahre, der mit seiner düsteren Atmosphäre und expliziten, für damalige Verhältnisse unvorstellbaren Gewaltszenen bis heute Kultstatus genießt. Der Film erzählt die Geschichte einer Gruppe von Urlaubern, die auf einer scheinbar verlassenen Insel stranden und bald von einem kannibalistischen Mörder verfolgt werden.
Was Man-Eater dabei besonders macht, ist die unheimliche Inszenierung der verlassenen Insel und die klaustrophobische Stimmung, die den Zuschauer zunehmend in ihren Bann zieht. Die karge Landschaft und die ständige Bedrohung verstärken das Gefühl der Isolation und Hilflosigkeit. Wenn der Film sich in seinen vernebelten gruftigen Gemäuern der italienischen Küste suhlt, versprüht das eine wirklich tolle Atmosphäre. Die verruchten analogen 16mm Bilder tragen ihr übriges dazu bei. Da die erste Stunde ohnehin fast ausschließlich als Mood-Piece dient, macht das wirklich Laune, auch wenn es dem Pacing nicht ganz zugute kommt. Das Wandern durch die Katakomben wird irgendwann etwas zu monoton, bevor Man-Eater voll aufs Gaspedal drückt.
Und da muss man sich wirklich in die Lage der Menschen versetzen, die 1980 unwissend ein Ticket gekauft haben oder im jungen Alter die zerschredderte Videokassette vom Pausenhof nach den Hausaufgaben in den Player gesteckt haben. Man-Eater setzt verstärkt auf Schockmomente und brutale Effekte, was den Film in seiner Zeit und selbst heute noch besonders berüchtigt machte. Die Splatter- und Gore-Szenen sind auch heute noch verstörend, obwohl die praktische Umsetzung natürlich den technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit und dem sehr überschaubaren Budget geschuldet ist. Besonders die Szene, in der der Antagonist ein ungeborenes Kind verschlingt, bleibt einem lange im Gedächtnis und schockt auch heute noch. Als Slasher ist die letzte halbe Stunde jedoch tadellos inszeniert und sensationell saftig.
Auf der anderen Seite hat der Film auch Schwächen, die typisch für diese Art von Low-Budget-Horror und Joe D’Amato sind. Die Dialoge und das Schauspiel wirken teilweise hölzern, und die Charaktere sind nicht besonders tief ausgearbeitet, was es schwer macht, wirklich mit ihnen mitzufühlen. Auch die langsame Erzählweise und der oft spärliche Einsatz von Musik können für manche Zuschauer langatmig wirken. Aber wer darüber hinwegsehen kann wird mit einem sehenswerten atmosphärischen Vertreter des italienischen Splatterfilms belohnt. Und allein aus historischer Sicht sollte man Man-Eater auf jeden Fall gesehen haben – aber nur, wenn man einen starken Magen hat.
Empfehlenswert für Halloween weil: Joe D’Amatos Man-Eater absoluter Kult ist und sich qualitativ abhebt von seinen anderen Werken. In der ersten Stunde als atmosphärischer Grusler inszeniert, eskaliert man in der letzten halben Stunde in einen wahnsinnigen saftigen Splatterslasher mit denkwürdigem Ende, das auch die Poster ziert. Sehr sehenswert, wenn man mit den auch heute noch drastischen Bildern klar kommt!
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