Es ist wieder Herbst. Es ist wieder Oktober. Und es ist wieder Zeit des Schreckens! Elf zähe, mühsame Monate mussten wir warten, um nun endlich ein bahnbrechendes, unvorstellbares Highlight zu zelebrieren: Die 31 Days of Fright sind 10 Jahre alt! Angefangen im Jahr 2014 sollte es lediglich eine einmalige Liste von 31 unabdingbaren Horrorfilmempfehlungen sein. Heute, ganze 310 Horror-Beiträge später, blicken wir stolz auf dieses kleine Geek-Vermächtnis zurück, das sich trotz aller Hindernisse und Turbulenzen durchsetzen konnte. Das macht uns buchstäblich nostalgisch, angesichts dessen durch wie viele unterschiedliche Lebensphasen uns dieser Blog und die 31 Days of Frights begleitet haben. Und auch wenn der Oktober jedes Jahr aufs Neue ein kräftezehrender Monat für uns darstellt, ist unsere Vorfreude, Euphorie und Leidenschaft inmitten jeder Spooky Season unaufhaltsam. Wer auch immer das hier liest oder es sogar seit Jahren, geschweige denn seit den gesamten 10 Jahren mitverfolgt – wir wollen DANKE sagen! Jedes Jahr sind wie wiederholt überrascht, wie viele Fright-Leser es inmitten des Oktobers zu diesem eingestaubten, kleinen Filmblog schaffen. Das bedeutet uns sehr viel. Und genau aus diesem Grund haben wir für das 10-jähirge Jubiläum einige Überraschungen vorbereitet, mit denen wir eine gesamte Dekade 31 Days of Fright feiern. Seit gespannt… und damit nun zu unserem Eröffnungsfilm der 10 Jahre 31 Days of Fright.
“It’s 22 years later, and Norman Bates is coming home…”
Ja, auch Norman Bates sieht zu Beginn der diesjährigen Frights schwermütig zurück. 22 Jahre ist es her, seitdem der damals junge Motelbesitzer überführt und in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde. Die Ärzte sagen, er sei geheilt. Und nun kehrt der deutlich gealterte Bates in sein marodes Zuhause zurück. Das Motel dient mittlerweile als kurzzeitiger Aufenthaltsort von Sexarbeiter*innen und ihren Freiern. Normans Eigenheim auf dem Hügel gleicht dem eines Geisterhauses. Die Leute in seiner Umgebung trauen ihm nicht. Sie haben seine Gräueltaten nicht vergessen – und nicht verziehen. Während Norman versucht, zurück ins bürgerliche Leben zu finden, sind dort aber immer noch die Schatten seiner Vergangenheit – und auch die seiner Mutter, die einen klare Forderung an ihren Sohn stellt: Töte!
Ist Norman tatsächlich geheilt? Versucht ihn jemand in den Wahnsinn zu treiben? Oder ist da doch eine Mutter, die nach Jahrzehnten der Abstinenz Kontakt zu ihrem geliebten Sohn sucht? Das Drehbuch von Tom Holland (Die rabenschwarze Nacht – Fright Night, Chucky – Die Mörderpuppe) arbeitet sich konzentriert und ausgewogen an den Fragen und Unterstellungen der Geschichte ab. Selbstverständlich handelt es sich um einen vollkommen anderen Film als das Original von Alfred Hitchcock. Doch gerade dieser vollkommen neue, erfrischende Ansatz mit dem Willen, eine eigene Story zu erzählen, macht diese Fortsetzung eines unantastbaren Klassikers gerade so interessant. Selbstverständlich finden klare Hitchcock-Zitierungen in Richard Franklins Regie statt, doch sie dienen alle dem unheilvollen Déjà Vu, dem Norman Bates bei seiner Heimkehrung ausgesetzt ist. Und nicht nur das: Es ist vor allem die Erfahrung des Zuschauers, mit der überaus gekonnt gespielt wird. Das Setting und die Tatorte sind vertraut. Die Vorgeschichte ist bekannt. Normans Triggerpunkte sind unvergesslich. Und eben mit diesem Wissen baut sich eine erfrischende Callback-Suspense auf, die trotz alledem auf eigenen Füßen steht.
Nicht nur bezogen auf seinen Inhalt und Hauptcharakter ist sich Psycho II seiner zeitlichen Distanz zum ersten Teil bewusst. Auch seine Gewaltinszenierung geht deutlich weiter als noch 23 Jahre zuvor. Das ist überraschend und faszinierend zugleich, da solch drastische Bilder nicht mit dem Originalfilm assoziiert werden und damit eine äußerst effektive Wirkung besitzen. Musikalisch begleitet wird das alles vom Score-Meister Jerry Goldsmith (Chinatown, Alien, Das Omen), der eine interessante Note an Sentimentalität und Melancholie den Bernard Herrmann-Zitierungen beifügt. Eine ebenso gigantische Hollywood-Ikone befand sich hinter der Kamera: Dean Cundey (Halloween – Die Nacht des Grauens, Das Ding aus einer anderen Welt, Zurück in die Zukunft, Jurassic Park, Apollo 13), dessen Bilder hier jedoch deutlich zurückhaltender sind, als erwartet. Doch auch seine Bildgestaltung fügt sich stimmig dem Gesamtkonzept des Filmes, indem Zitierung und Modernisierung, sowie auch der Kontrast zwischen dem konservativem Hollywood der Sechzigerjahre und Post-New-Hollywood der Anfang-Achtzigerjahre eine spielerische Wechselwirkung besitzen, die aus heutiger Sehgewohnheit leider etwas zu zäh wirken könnte.
Und damit kommen wir auch zu den Schwächen von Psycho II. Ganz gleich, wie eigensinnig, erfrischend und auch verspielt das Drehbuch ist – es findet kein zufriedenstellendes Pacing. Der ersten Hälfte sei dies noch verziehen. Immerhin wird hier mit viel Feingefühl das neue Mysterium aufgebaut, dessen Fragestellung sich logischerweise grundlegend zum Originalfilm unterscheidet. Doch Franklins Regie trägt den Film nicht über die Wirkung eines Stephen King-Fernsehfilms hinaus, was äußerst ärgerlich ist bei all seinem Potential. Schuld daran trägt besonders der mangelnde Mut an wirkungsvolle Bilder, die ihre Direktheit in der Inszenierung und ihre Präsenz im Editing benötigen, um ihre Intensität entfalten zu können. Doch auch Goldsmith lässt sich zwar seltenen, dennoch an unpassenden Stellen mit der Fernsehoptik mitreißen und platziert Twin Peaks-ähnliche Soundtrack-Momente, die die Qualität des Filmes leider drosseln. Wer weiß, ob es wirklich an einer inkonsequenten Vision eines jeden einzelnen lag oder doch an den Willen eigensinniger Produzent*innen, dessen Fremdeinwirkung bei solchen Patzern durchaus vorstellbar ist.
Das alles ist dennoch kein Untergang. Im Gegenteil, Psycho II überrascht durchweg mit der durchsetzungsfähigen Willenskraft eine clevere, logische und eigenständige Fortsetzung 22 Jahre nach den Ereignissen von Alfred Hitchcocks Psycho zu erzählen. Das hat keine Fan Fiction Vibes, auch keine Legacy Sequel Attitüde. Es ist genau das Maß an Originalität, das den meisten anderen Fortsetzungen großer Klassiker fehlt. Eine mutige, erfrische Transportation von Norman Bates in den Exploitation-Slasher-Zeitgeist der Achtzigerjahre, die zur Überraschung aller ihre absolute Daseinsberechtigung hat.
Empfehlenswert für Halloween, weil sein Spiel mit unheilvoller Nostalgie und Slasher-Brutalität ein wirkungsvolles Zusammenspiel erzielen. Eine angenehme Überraschung, dass es nach so vielen Jahren immer noch etwas zu erzählen gib – das gilt für Norman Bates und für unser 10-jähriges 31 Days of Fright. Wir wünschen ein schauriges Vergnügen!
Regie: Richard Franklin
Drehbuch: Tom Holland (basierend auf den Charakteren von Robert Bloch)
Produktion: Hilton A. Green, Bernard Schwartz
Darsteller: Anthony Perkins, Vera Miles, Meg Tilly, Robert Loggia
Bildgestaltender Kameramann: Dean Cundey
Komponist: Jerry Goldsmith
Altersfreigabe: ab 16
Laufzeit: 113 Minuten
Veröffentlichungsjahr: 1983
Budget: 5 Mio. USD
Box Office: 34,7 Mio. USD
Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Universal Pictures.