Bevor der Kanadier David Cronenberg sich an große Stoffe, wie Die Fliege oder A History of Violence herantraute, war der Bodyhorror eh und je ein Thema für ihn. Mit Rabid schuf er wohl einer seiner sonderbarsten Deformationen.
Nachdem Rose bei einem Motorradunfall schwerverletzt wurde, wird sie am Oberkörper operiert. Im Zuge der Notlage verarbeitet der Chirurg ein bislang unerprobtes Transplantat, welches Roses Körper auf fatale Weise aufnimmt. Unter ihrer Achsel befindet sich nun ein Loch, aus dem ein Penis-artiges Glied mit Nadelspitze herausstechen kann. Seitdem hat sie Durst auf Blut und trinkt jenes durch ihr neues Organ. Doch das ist nicht alles: Ihre Opfer werden kurze Zeit später zu Zombies!
Die Fantasie von David Cronenberg nimmt allen Anschein nach kein Ende. Doch für jene Offenbarungen nimmt sich der Autorenfilmer viel Zeit und erzählt seine Geschichte im Detail. Somit entwickelt sich nicht nur die Neufindung des Körpers, sondern vor allem die kalte Atmosphäre des Filmes, die eine begnadete Handschrift des 70er-Jahre-Kinos trägt. Es ist ein Film, der rein vom Setting perfekt in den nassen Oktober passt und damit einen idealen Fright-Vibe erzeugt. Doch gerade für solch einen abstrusen Plot sind glaubwürdige Figuren und Schauspieler gefragt, die die Lächerlichkeit der Physis tragen kann. Und diese hat Rabid absolut nicht.
Wer gutgealterten Thrill sucht, wird bei Cronenbergs vierten Spielfilm nicht fündig. Alle Charaktere, mitsamt ihren schauspielerischen Trägern, wirken dermaßen zweitklassig und unglaubwürdig, dass es vielmehr nach Trash wirkt, als nach einem Vorreiter von Die Unzertrennlichen und eXistenZ. Spätestens ab dem Auftreten der mutierten Opfer verliert der Film seine letzten Zuschauer und ringt nach erzwungener Aufmerksamkeit. Doch sollte das nicht allzu drastisch aufgefasst werden, auch wenn Rabid heute noch gerne ernsthaft analysiert wird. Denn in gewisser Weise macht die perverse Bodyhorror-Fantasie einfach Spaß und ist definitiv unvergleichbar mit anderen Werken seiner Zeit. Darüberhinaus schleichen sich tatsächlich ein paar starke, ernstzunehmende Szenen hinein, die den Diskurs über die Frau als Begierdeobjekt der Männer leicht ins Rollen bringt (damit sei vor allem die intensive Szene im Kino gemeint).
Ja, Rabid hat es heutzutage nicht leicht. In manchen Kreisen heute noch gefeiert, punktet der atmosphärische Horrorfilm eher durch Nostalgie als durch Zeitlosigkeit. Aber wer weiß, vielleicht macht es sein diesjähriges Remake besser, welches bereits auf dem Fantasy Filmfest zu sehen war. Nichtsdestotrotz kann man Cronenbergs Frühwerk keine fehlende Unterhaltung vorwerfen. Denn diese besitzt er seine gesamte Laufzeit über.
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