Jeder Regisseur, der wie Wes Craven eine stattliche Filmographie vorzuweisen und Erfahrung in den etablierten Systemen der Studios und Produzenten gesammelt hat, dreht früher oder später seine ganz eigene Abrechnung mit dem Akt des Filmemachens. Fellini hatte „Achteinhalb“, Godard „Die Verachtung“ und Craven, dessen Werk sich dem „unartigen“ Genre widmete und (vermeintlich) wenig mit den großen europäischen Autorenfilmern gemein hat, machte „Scream 3“ – und verpackte seinen endgültig schwindelnde Höhen erreichenden Film-Diskurs sogar in einen der vielen ach so trivialen Franchisefilme. Jenes Franchise hatte mit seinem ersten Teil und seiner „self-awareness“ das Jahrtausendwende-Publikum begeistert. Teil zwei musste her, der sich – quasi forciert durch das Serien-Merkmal Metawürze – über die Natur von Fortsetzungen lustig machte. In Verbindung mit Cravens listenreicher und astreiner Spannungsinszenierung entstanden wunderbare Thriller, die ein ganzes Subgenre diskutierten. In „Scream 3“ jedoch, der das Adjektiv „postmodern“, das in jeder Besprechung der Reihe (oft fahrlässig) fallen muss, wirklich verdient, dreht der selige Horrormeister völlig am Rad.
Sidney Prescott lebt ein Einsiedlerleben als Telefonseelsorgerin. Ihre Freunde hat es nach L. A. verschlagen; dort läuft gerade die Produktion von „Stab 3“, die filmische Aufarbeitung der Ereignisse aus Teil zwei – eine dritte Mordserie lässt nicht lange auf sich warten. Craven dreht einen dritten Teil über die Entstehung eines dritten Teils, und es wird noch schlimmer. Bis in die kleinste filmische Codezeile versteckt er Anspielungen, Verknüpfungen und Intertextualitäten, verläuft sich kundig im Labyrinth Hollywood. Er orchestriert seine Unmenge an Figuren und Symbolen als Fuge, die alles als Reim der Realitäten verbindet: Jeder Charakter hat einen Platz darin, außer der Killer, der umherschleicht und alles umkrempelt. Die so geliebten Konstanten Sidney, Dewey und Gale treffen auf ihre „Film-im-Film“-Doppelgänger, schauen in den Spiegel und damit in eine andere Realität. Art imitates Life imitates Art. Die beiden Welten, die des Virtuellen und die Außerfilmische zerlaufen ineinander. Sidney, wie immer eingeführt vom Neo-Westernriff Marco Beltramis, kann dem nicht entkommen, der Killer – ja, diesmal ist es wirklich nur einer, so viel sei verraten – zwingt sie zur Auseinandersetzung mit einer zweiten Wahrheit, die auch eine dunkle Wahrheit Hollywoods ist.
Die Schauspielerin der Gale Weathers ist ihrem Charakter ähnlicher als Weathers selbst; Preisstatuen verlieren den Kopf; der Killer schreibt sein eigenes Drehbuch; „Ghostface“-Kostüme in Massen an Kleiderstangen, die dem Mörder das perfekte Versteck bieten; und zu guter Letzt die von Gängen durchzogene Villa eines B-Movie-Magnaten (Lance Henriksen als Roger Corman-Alias) – hier ist er, der doppelt-dreifache Boden. Der Widerstreit zweier Welten, Hollywood und Schmuddelkino (Craven kennt beide), Alt und Jung, Vergangenes und Gegenwart, Echt und Einbildung, findet seinen Klimax, wenn Sidney sich im nachgebauten Set ihres Jugendhauses mit dem Killer duelliert. Das ist die endgültige Dekonstruktion der filmischen Illusion und von groteskem Genie, wenn beide Weltenwandler in den Abgrund einer Pappkulisse blicken.
Nicht nur macht er den Teen-Stalker des Slashers zur Figur des Dritten, die Generationen gegeneinander ausspielt, er schafft auch eine perverse Geschlossenheit seines Franchises. Bringt es sogar zustande, die völlige Unsicherheit über das Geschehen im Film zu provozieren, und selbst das nicht ohne Brechung. Wie jeder der „Scream“-Teile kennt er die Regeln, bricht sie, um sie doch haargenau zu befolgen. Da war es nur konsequent, dass Teil vier kam. Und das ist auch gut so. Die Genüsse der beiden Vorgänger, die locker-authentische Adoleszenzgeschichte mit gut temperiertem Horror hat man hinter sich gelassen. Alte Muster aufgreifen und verarschen ist vorbei, jetzt zeichnet man neue. Oder?
„What’s your favourite scary movie?“ „My life.“
Unterschätztes Meisterwerk. Wes Cravens „Mulholland Drive“.
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