How meta can you get?
Seit Beginn unserer “31 Days of Fright” gehört es zu diesem schönen Brauch dazu, jedes Jahr einen weiteren Teil aus Wes Cravens „Scream“-Franchise zu empfehlen. Schon letztes Jahr hatte ich die Ehre, meine Vorliebe für den sträflichst unterschätzten dritten Eintrag aus der Vorzeige-Metareihe auszudrücken und ihn hoffentlich einigen Lesern näherzubringen; heuer obliegt mir die Aufgabe, den vierten und letzten Teil zu besprechen und diese unsere „Tradition in der Tradition“ zu einem würdigen Ende zu bringen. Besonders wenn ich bedenke, wie viel die „Scream“-Reihe nicht nur uns als Redaktion, sondern auch einer ganzen Generation bedeutet, kann ich mir nicht helfen, ein wenig schwermütig zu werden. Weiterhin handelt es sich bei Scream 4 um nichts anderes als den letzten Spielfilm des Maestros Craven höchstpersönlich und damit um sein filmisches Testament. Aber lassen wir die Melancholie hinter uns und tun das, was einem so großen Filmemacher am ehesten würdig ist: Widmen wir uns ganz dem Film.
15 Jahre nach der ursprünglichen Mordserie kehrt Sidney Prescott (erneut wundervoll dialektisch zwischen ungeheuer stark und fragil changierend: Neve Campbell), mittlerweile erfolgreiche Autorin, für eine Lesereise nach Woodsboro zurück. Eigentlich soll es nur ein kurzer Zwischenstopp sein, doch es kommt, wie es kommen musste und eine erneute Mordserie zwingt Sidney, nunmehr zum vierten Mal, den Kampf aufzunehmen. Dabei werden nicht nur Sid und ihre alten Bekannten bedroht, auch ihre Cousine Jill (Zeugnis einer großen Schauspielkarriere: Emma Roberts) und ihre Teenie-Clique geraten ins Visier des neuen Ghostface-Killers. Und wieder entfaltet sich jenes Katz-und-Maus-Spiel mit seinen Red Herrings und Whodunit-Motiven, das wir so gut kennen und lieben gelernt haben.
War das „Scream“-Franchise vor allem in seinen ersten beiden Teilen eine amüsante Genrede- und -neukonstruktion, so behandelte es doch auch im gleichen Maße – besonders seit Teil 3 – seine eigene Stellung im Kontext popkultureller Genrephänomene und die damit einhergehende ikonografische Wirkung. Mit teils aberwitzigen Brechungen, Dopplungen, Parallelen, Wiederholungen, „Regelbrüchen“ und Erwartungs-Unterwanderungen gerieten die Filme in einen derartigen „Meta“-Strudel, dass ihre Essenz viel zu oft auf das zu sehr simplifizierende Prädikat „postmodern“ heruntergebrochen wird; nur konsequent ist es, dass sich die „Scream“-Filme auch darüber lustig machen, womit sich die Katze endgültig in den eigenen Schwanz beißt. Auch Scream 4 gibt sich genüsslich diesen Spielereien hin, spinnt sie pflichtbewusst weiter (wenn auch nicht so eskalativ wie „Scream 3“) – einmal mehr ein echter Genuss.
Es wäre jedoch ein Fehler, sich in den magisch bemühten Präfix „Meta-„ zu verbeißen, denn letztlich führt uns Wes Craven in Scream 4 alle hinters Licht: Nur scheinbar ergibt er sich dem fortsetzungsbedingten Zwang zur Überbietungsorgie und nutzt sie eigentlich als Vorwand, als Rechtfertigung – für einen im wahrsten Sinne klassischen Horrorfilm mit allen seinen Tugenden, und das ohne auch nur die winzigste Staubschicht angesetzt zu haben. Craven-typisch zeigt er in seiner wie gewohnt meisterlich-flüssigen Inszenierung mit empathischen und jederzeit ernstnehmenden Blick die Welt der Jugendlichen und ihre bereits digitalisierte Lebenswelt, in die sich der maskierte Mörder als Unsicherheit an den Rändern der Bilder hineinschleicht. Eben diese Grundprämisse verarbeitet Craven zu jederzeit funktionierenden Spannungs-Setpieces, zwischen denen, ganz nebenbei, das Drama des Charakters Sidney Prescott weitererzählt wird und ein eigenwillig-traditioneller Neo-Slasher (mit einer der genialsten „Final Girl“-Variationen der Filmgeschichte) entsteht. Ein Spagat, wie ihn nur Wes Craven vollführen konnte.
Empfehlenswert für Halloween weil: ich mich oft frage, ob wir denn je ein besseres Horrorfranchise als die „Scream“-Reihe erleben werden. Denn wie oft kann man schon behaupten, dass Teil 4 und Teil 1 qualitativ verdammt nah beieinander liegen?
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