Regisseur John Frankenheimer ist bekannt für seine politischen Thriller und Actionfilme. Sein mit Robert De Niro und Jean Reno besetztes Spätwerk Ronin, welches der damals 68-jährige vier Jahre vor seinem Tod veröffentlichte, ist heute sein populärster Film. Ganze drei Jahrzehnte zuvor, um genau zu sein im Jahr 1966, intensivierte Frankenheimer seine damals politische Paranoia-Phase mit einem düsteren Science-Fiction-Film namens Seconds oder auch hierzulande Der Mann, der zweimal lebte.
Zugegeben, der deutsche Verleihtitel ist trotz der passenden Inhaltsbezeichnung kein Titel, der äußerst herausstechend, denkt man an die Filme Der Mann, der niemals lebte, Der Mann, der zuviel wusste oder Man lebt nur zweimal. Darum bleiben wir in dieser Besprechung bei dem US-amerikanischen Originaltitel Seconds. So werden in der englischen Fassung jene Personen genannt, die von einer mysteriösen Organisation ein neues Leben erhalten haben. Eine neue Identität, ein neues Aussehen, ein neuer Lebenslauf. In der deutschen Fassung heißen diese Personen „die Wiedergeborenen“, zu denen auch Tony Wilson gehört, gespielt von Weltsuperstar Rock Hudson in seiner ungewöhnlichsten Rolle. Sein neues Leben scheint perfekt zu sein. Doch der Schein trügt, wie Tony bald herausfinden muss.
Mit ungemeinen Einflüssen von Franz Kafka und Aldous Huxley arbeitet Frankenheimer eine verstörend-intensive Vision des perfekten Lebens auf, das in jeglicher Form bestens umgesetzt ist. Saul Bass kreierte eine seiner besten Opening Credits. Jerry Goldsmith vertont unverkennbar die Schnittmenge zwischen psychedelischen Schwarz-Weiß-Horror und der trügerischen Schönheit des Lebens. Und James Wong Howe, für diesen Film bei den Oscars nominiert, filmt die mitunter großartigsten Shots der Sechzigerjahre mit revolutionären Lichtausstattungen und Weitwinkelaufnahmen. Augenscheinlich hat sich David Lynch von all dem inspirieren lassen, dessen Debütfilm Eraserhead ganze elf Jahre später unverkennbare Ähnlichkeiten besitzt.
Die Erzählung des Filmes ist stetig nah bei deiner Hauptfigur. Umso schwerer fällt ein distanzierter Blick von außen. Das stetige Gefühl des Zuschauers, jederzeit dem Boden unter den Füßen entnommen zu werden, wächst mit jeder einzelnen Minute. Es tatsächlich ein bahnbrechend trippiges Erlebnis, das ein albtraumhaftes Vorzeigebild für die schubhafte Experimentierfreudigkeit jenes Jahrzehnts ist. Ein Film, über den keinesfalls zu viel im Voraus gesagt werden sollte. Der die größtmögliche Wirkung erzielt, wenn man genau sie die Hauptfigur in eine blinde Zukunft geschubst wird.
Empfehlenswert für Halloween, weil die dystopische Grundstimmung dieses psychedelischen Science-Fiction-Horrors sich in seinen beklemmenden Schwarz-Weiß-Bildern mit erschreckender Intensität entfaltet. Ein ungewöhnlich mysteriöser Film, der keinerlei Schocks nötig hat, um zu beängstigen. Ein großer Tipp für Fans von The Twilight Zone.
Regie: John Frankenheimer
Drehbuch: Lewis John Carlino (nach dem gleichnamigen Roman von David Ely)
Produktion: Edward Lewis
Darsteller: Rock Hudson, Salome Jens, Will Geer, John Randolph
Bildgestaltender Kameramann: James Wong Howe
Komponist: Jerry Goldsmith
Altersfreigabe: ab 18
Laufzeit: 107 Minuten
Veröffentlichungsjahr: 1966
Budget: 2,5 Mio. USD
Box Office: 1,75 Mio. USD (Nordamerika)
Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Paramount Pictures.