Am kommenden Sonntag ist Europawahl. Diesen Anlass lassen wir uns selbstverständlich nicht entgehen und nutzen dafür dieses Wochenende, um einen ausgewählten Blick auf die europäische Phase des Altmeisters Woody Allen zu werfen. Damit ist unsere erste Station die spanische Küstenstadt Barcelona, die ein stolzer Teil des hochangerechneten Spätwerkes Allens ist.
Wie in so vielen Filmen des New Yorkers geht es auch in Vicky Cristina Barcelona um Affären und Intrigen. Doch auch wie in so vielen seiner Filme sind die Töne mit ein und dem selben Thema äußerst variierend. In diesem Falle nutzt Allen einen sehr distanzierten Blick auf das Geschehen, welches zwei Amerikanerinnen während ihres Barcelona-Urlaubs umschreibt. Beide geben sich, mehr oder weniger wissend voneinander, dem selben Mann hin, gespielt von Javier Bardem. Dieser weiß definitiv mit seinem Charme umzugehen. Denn auch wenn sein Wesen beinahe zu übermütig erscheint, nutzt Allen alle fiktionale Fähigkeiten um Wechselbeziehungen und Reaktionen trotz aller Unwahrscheinlichkeiten glaubhaft erscheinen zu lassen – wenn auch mit einem unübersehbaren Augenzwinkern.
Allen hat eindeutig Spaß daran den Mann als Mysterium darstellen zu lassen. Somit wirkt Bardems Charakter gutredend, aber nie lügend. Als Gegen- bzw. Mitspielerinnen dienen drei von Grund auf verschiedene Frauen, die sich in ihren Selbstsicherheiten, Temperamenten und Interessen unterscheiden. Und während die eine mit ihrer Vernunft kämpft, sehnt sich die andere nach dem nächsten Fallenlassen. Diese Tatsache ist deswegen so interessant, weil Allen seine Wahrnehmung von Barcelona bewusst auf diese temperamentvollen Leidenschaften reduziert hat, die oft erst mit einem Knall enden müssen.
Die gebündelte Laufzeit von eineinhalb Stunden ist nicht unüblich für einen Woody Allen-Film. Gleichermaßen weiß seine erotische Liebeskomödie auch zu unterhalten. Was der Film jedoch nicht schafft, ist den Zuschauer mitreißen zu können. Alles ist großartig geskriptet, alles entwickelt sich andauernd. Nur leider bleibt Allen durchweg zu distanziert, um jede Leidenschaft mitfühlen lassen zu können. Das mag zwar schade sein, denn jenes Mitreißen wäre sicherlich möglich gewesen, doch Allen lässt das Geschehen lieber skizzierter. Umso trockener und unbedeutender wirken jene Seitensprünge am Ende, die das Ausleben von Fantasien belächelnd zurücklassen.
Vicky Cristina Barcelona ist sicherlich kein Film der großen Gefühle. Dafür möchte Woody Allen viel lieber schnelllebig und oberflächlich beobachten. Am Ende kommt ein verwirrter Kurztrip nach Barcelona heraus, der das Liebesleben als geradezu lächerlich enttarnt, wenn es von Affären und Geheimnissen dominiert wird.
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