Nachdem schon Sherlock Holmes eine moderne Neuinterpretation bekam, tut dies nun auch Regisseur Paul McGuigan mit dem Frankenstein-Mythos, was direkt impliziert, dass Novellenfans sowie Fans der alten Universalfilme ein Brett vor den Kopf bekommen. Frankenstein lernt den buckeligen Igor bei einem Zirkusbesuch kennen, der dort als Attraktion gehandelt wird und aufgrund seines deformierten Aussehens allerhand Gewalt und Schikanen ausgesetzt ist. Erst als Artistin Lorelei bei einem Kunststück verunglückt und Igor als Ersthelfer sein Genie öffentlich zeigt, beschließt Victor ihn zu befreien, was gelingt. Er schafft es mit Medikamenten und Werkzeug den Abszess auf Igors Rücken zu beseitigen und beginnt mit ihm seine Forschung, die offenbart welcher Wahnsinn hinter der Fassade von Victor steckt.
Dabei ist es besonders die erste Dreiviertelstunde, die es schafft der klassischen Geschichte frischen Wind zu verleihen, mit flotter Narration, einer wirklich tollen Optik und Kostümgestaltung, trotz vergleichweise knappem Budget von 40 Millionen Dollar. Das Spiel zwischen Daniel Radcliffe und James McAvoy harmoniert, auch wenn sich unser schottischer Freund offenbar mächtig von Nicholas Cage hat inspirieren lassen. Gerade in der zweiten Hälfte bolzt McAvoy ein Mimenspiel auf den Zuschauer los, dass man sich fragt, ob es in künstlerischer Intention lag, dass man vor Komik lautstark lachen muss. Doch die Unbeschwertheit, die man anfangs noch genießen kann, schlägt schnell um, wenn sich das löchrige Drehbuch in der zweiten Hälfte offenbart. Die Stilistik biedert sich dem modernen Downey Jr. Sherlock an und ertränkt sich mit steigender Laufzeit immer mehr dem CGI, was im Finale mächtig verärgert. Nach der Erschaffung von Frankensteins Monster, dessen Abbild wohl nach großem Van Helsing Vorbild enstanden ist, wird die Inszenierung dermaßen unfreiwillig komisch, dass bei Einsetzten des Abspanns ein geistig verwirrter Zustand übrig bleibt. Was zu Beginn noch mit visuell umwerfender Optik, großartigen Kostümen und erfrischender Erzählung punktet verfällt dem überdrehten Einheitsbrei gegen Ende. „Victor Frankenstein“ist sicher entgegen aller mieser Kritiken deutlich erträglicher als erwartet, bleibt jedoch letztendlich viel zu egal, um in Erinnerungen zu bleiben, denn dazu fehlt ihm die Individualität. Da helfen auch die bettelnden Dackelblicke von Daniel Radcliffe nicht mehr!
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