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First Man

von Robin Längert

Das Kino war schon immer ein Ort der Faszinationen und Erschütterungen. Für sein Biopic First Man (oder hierzulande Aufbruch zum Mond) verbindet Regisseur Damien Chazelle beides zu einem großen Drama mit neuen Perspektiven. Doch inwiefern funktioniert sein Spagat?

Anders als das konventionelle Biopic interessiert sich Chazelle nicht für originalgetreue Gesichter oder emphatischen, gar heroischen Grundtenoren. Selbst die Nationalität, welche beim Wettlauf zum Mond fundamental war, wird nur als wertungsfreies Mittel zum Zweck erwähnt. Nebenbei: Selbst die Platzierung der US-amerikanischen Flagge auf der Mondoberfläche wird nicht nachgestellt im Film. Damit setzt Chazelle geglückt ein klares Statement zu seiner künstlerischen Unabhängigkeit, die sich einzig und allein seinem eigenen Fokus widmet. Und jener Fokus passt nicht besser in den Kanon seiner letzten beiden Filme, Whiplash und La La Land.

Auch in diesem Spielfilm geht es um bedingungslose Hingabe, die dem Liebes- bzw. Familienleben im Weg steht. Doch First Man ist dennoch anders. Er erzählt von keinem selbsterfüllenden Weg eines Träumers, der seinem Ziel lediglich zum Selbsterfüllungszweck begegnen möchte. Stattdessen erzählt er von einem Mann, der keinen Frieden findet nach dem Tod seiner zweijährigen Tochter. Ähnelnd seiner Performance als namenloser Driver in Nicholas Winding Refns Drive mimt Ryan Gosling auch hier eine introvertierte Seele, die wortkarg durch den Film geistert. Es ist, als würde nur noch wenig Leben in ihm stecken, das sich von der Mondlandung eine letztmögliche Entfachung im Herzen erhofft. Somit erzählt Chazelle nicht von Errungenschaften und Erfolgen, sondern von Niederlagen und Verletzungen – und erinnert trotzdem daran, dass man immer nach oben schauen kann. Zu seinem Ziel. Zum Mond.

Auf der anderen Seite begeistert der Film mit seiner technischen Inszenierung. In seinen lautesten Momenten, von denen es eine Handvoll im Film gibt, bleibt die Kamera innerhalb des Flugobjekts beim Protagonisten. Dort spüren wir das scheinbar empfindliche Metall, nehmen jede einzelne Schraube wahr, zählen jede entfernte Meile von der Erdoberfläche. Ja, Chazelle beweist wieder einmal seine Fähigkeit zur Umsetzung nervenzerreißender Spannung. Dabei nutzt er Originalmotive als Hintergrund, wie auch Modelle für die visuellen Effekte, bei denen nicht ein einziges Mal erkennbar ist, ob es materiell oder digital ist. Zweifellos wurde hier die perfekte Illusion geschaffen, bei der es jedem für über zwei Stunden erlaubt ist selbst in den Raumanzug zu steigen.

Neben all der Authentizität und dramaturgischen Genauigkeit, wie auch der provokanten Nebenfrage nach dem Sinn der Mission („I can’t pay no doctor bill but whitey’s on the moon“), spitzt sich das Biopic in einem grandiosen Finale zu, das den bis dorthin limitierten Score zum sternenstündigen Orchester heranwachsen lässt. Chazelle lässt dem Zuschauer dennoch, neben jener Begeisterung, das beängstigende Mysterium um das Weltall spüren – visuell, wie auch musikalisch. Dass zusätzlich auf dem Mond das körnige Analogbild von der gestochen scharfen IMAX-Auflösung ersetzt wird, ist letztlich nur das i-Tüpfelchen für die hautnahe Erfahrung, die hier geboten wird.

First Man gehört ohne Zweifel zu den großen Kinosensationen des Jahres. Vom sperrigen Charakterdrama zur großformatigen Hochspannung bietet Damien Chazelle eine facettenreiche Bandbreite, die stilistisch vollkommen schlüssig ist. Während die Bedeutung der Mondreise zu einer herzergreifenden, „universellen“ Metaphorik im Film wird, sind es gleichermaßen die Bilder, der Sound und der Score, die sich zu einem bewegenden Kinoerlebnis erschließen, bei dem ein Mann erst wieder Nähe verspüren kann, wenn er seinen Heimatplaneten verlassen hat.

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Universal Pictures.

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