Muttertag

von Robin Längert

Endlich wieder Frights! Da dürfen selbstverständlich auch keine urigen Achtzigerjahre-Slasher fehlen, die heutzutage mit blühender Ironie genossen werden. Zu einen der vielen Vertreter gehört ebenfalls der Film Muttertag, der bereits seit vielen Jahren in Deutschland indiziert und beschlagnahmt ist. Erhältlich ist er hierzulande trotzdem, wenn auch nur als grausam gekürzte Fassung mit FSK 16-Siegel und 13 Minuten weniger Laufzeit. Zum Vergleich: Die Originallänge des Filmes beträgt 90 Minuten.

Wie jedes Jahr treffen sich die drei Freundinnen Abbey, Jackie und Trina an einem See zum Campen, wo sie einmal mehr ihren Alltagsstress und die privaten Probleme vergessen dürfen. Doch sie geraten ins Visier zweier Hinterwäldler, die die Mädchen verschleppen und im eigenen Haus zum Vergnügen ihrer autoritären Mutter foltern und vergewaltigen. Die drei Frauen sehnen sich nach einer erlösenden Fluchtmöglichkeit – und nach Rache.

Bereits die Eröffnungsszene bedient sich seiner höchstsympathischen, zeitgenössischen Naivität anhand unterhaltsam-plumpen Dialogen und einer ungezügelten Zuspitzung an Gewalt. Dieser Grad der Gewalt ist zwar drastisch, doch rechtfertigt aus heutiger Sicht keine Höchststrafe in Form einer Beschlagnahmung. Doch das nur als Vorwarnung. Immerhin ist der Verbotstitel beinahe ein ungewolltes Marketingtool, das jeden Horrorfilm umso interessanter wirken lässt. Doch schockierender als der erste Freitag der 13.-Teil aus demselben Erscheinungsjahr ist Muttertag nicht – die man anhand ihres gleichen Jahrganges und des Settings beinahe als Konkurrenten wahrnehmen könnte. Doch da gibt es einige Unterschiede.

Muttertag ist ein gänzlich anderer Schlag Slasher. Wo Freitag der 13. atmosphärisch ist und eine unsterbliche Grundstimmung kreiert (die mehr „Vibe“ ist als Grusel), ist sein Gegenüber eher unterrührend. Stattdessen gehen die Szenarien eher Richtung eines Wes Craven Das letzte Haus links. Und ebenso lebt er sich mit seinem Sadismus an den drei Hauptfiguren aus. Bei all den Vergleichen kommt selbstverständlich die Frage auf, wie viel Eigenständigkeit der Film am Ende noch hat. Und zu jedermanns Überraschung kann versichert werden, dass in ihm tatsächlich ein kleines Stück Besonderheit steckt, wenn auch nicht direkt in Genrehinsicht. Das Unerwartete an Muttertag ist sein projiziertes Frauenbild, das in dieser Form eine Seltenheit darstellt. Denn in kaum einen anderen, zweitklassigen Horrorfilm der Achtzigerjahre wurde sich so sehr um möglichst authentische Dialoge zwischen drei Frauen bemüht. Dialoge, die sich nicht andauernd um Männer, Liebe oder Fashion drehen. Selbstverständlich sind es keine bahnbrechenden Wortwechsel, aber sie sind weitestgehend klischeefrei. Und das macht das Seherlebnis von Muttertag auf eine gänzlich andere Weise angenehm gegenüber seinen zeitgenössischen Verwandten.

Zwar beträgt die Laufzeit nur eineinhalb Stunden, doch verlangt es ein bisschen Durchhaltevermögen, um auf die Highlights des Filmes warten zu müssen. Nachdem nämlich das Intro ordentlich abgeliefert hat, dürfen wir uns erstmal mit einer monotonen Ruhe zufriedenstellen. Zugegeben, zwischendurch wird auch mal der genüssliche Lifestyle eines Freundes der drei Frauen gezeigt, der koksend über seine künstlerische Denkblockade nachdenkt und seiner Freundin dabei Geld aus der Handtasche stiehlt. Es sind schließlich die zum Schmunzeln bringenden Details, die trotz der erwähnten Ruhe den Unterhaltungsfaktor mit sich bringt. Doch ab der zweiten Hälfte findet Muttertag endlich zu den Höhepunkten seiner Subgrenes. Und diese schrecken vor wenig zurück. Was am Ende dabei rauskommt, ist ein folterndes Schlachtfest, das immer wieder den Spieß umzudrehen weiß. Vielleicht sollte an dieser Stelle vor einer seltsamen Mystifizierung gewarnt werden, die der Film einmalig im Laufe seiner Handlung heraufbeschwören will und in seiner letzten Szene willkürlich darauf zurückgreift. Das ist zwar dermaßen lächerlich, aber ausreichend konsequent um doch noch Schmunzeln zu können.

Empfehlenswert für Halloween, weil hier der Charme der Achtzigerjahre auf Slasher, Backwoods und Splatter trifft, ohne ein Mal mit der Wimper zu zucken. Der Film nimmt sich zu keinem Zeitpunkt ernst und inszeniert umso mehr den puren Wahnsinn und Sadismus mit finsterster Unterhaltung. Emotionale Wirkung erzielt er zwar damit nicht, aber dafür einen spaßigen, naiven Genrebeitrag mit überraschend feministischer Note.

Regie: Charlie Kaufman
Drehbuch: Warren Leight & Charlie Kaufman
Produktion: Michael Herz, Charles Kaufman
Darsteller: Nancy Hendrickson, Deborah Luce, Tiana Pierce, Beatrice Pons
Altersfreigabe: ungeprüft, indiziert und beschlagnahmt
Lauflänge: 91 Minuten
Budget: 115.000 USD
Box-Office: unbekannt

Alle Bildrechte obliegen dem Verleih ©Best Entertainment.

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