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The Killing of a Sacred Deer Movie

The Killing of a Sacred Deer

von Sean Theumer

Yorgos Lanthimos, Regisseur von Dogtooth und The Lobster, sorgt für zwiespältige Gespräche in den deutschen Kinos und setzt sein Schaffen konsequent fort. Wer The Killing of a Sacred Deer im letzten Jahr verpasst hat oder den Eindruck hat, sein neues Jahr 2018 würde viel zu fröhlich losgehen, kommt an diesem Psychothriller nicht vorbei.

Lanthimos ist natürlich kein schüchterner Filmemacher, weswegen die Subtilität auch in The Killing of a Sacred Deer konsequent ignoriert wird. Jede Sekunde, jede Einstellung und jeder Dialog schreit förmlich heraus, dass man sich nicht an übliche Sehgewohnheiten anpassen will und wird. Ein klassischer Revenge-Thriller wird verpackt in ein Familiendrama mit Anleihen zur griechischen Tragödie und hat direkt mit dem ersten Bewegtbild in seinem Bann, der gleichzeitig unser Gefühl repräsentiert. Eindrücke einer OP am offenen Herzen. The Killing of a Sacred Deer fühlt sich an wie eine Operation ohne Betäubungsmittel, da er es versteht uns zu foltern. Bissiger Humor trifft auf unterkühlte Grausamkeiten, klassische Musik trifft auf einen Score, der einzelne verzerrte Töne wie Waffen gegen uns einsetzt, wenn wunderschöne Bilder sich mit grandiosen Darstellerleistungen vereinen. Am Ende fragen wir uns selbst ob sich Gerechtigkeit durch andere Taten definiert oder ambivalent durch unsere Ansichten zu definieren ist.

The Killing of a Sacred Deer review

!SPOILER!

Derjenige der in Arztkleidung, gleich eines Gottes, Richter über Leben und Tod ist, wird gefordert ein Menschenopfer an den Jungen zu bringen, der durch sein Scheitern über ihn verfügen kann, als wäre er ein Gott. Ist die Trauerverarbeitung einer gescheiterten OP unter Alkoholkonsum erträglicher wenn sich beide Seiten ein Schicksal teilen müssen? Der Verlust eines geliebten Menschen kann nur wiedergutgemacht werden durch eine mythologische Opfergabe in Form eines Mitgliedes der Familie. Doch hat jedes Mitglied der Familie noch den gleichen emotionalen Wert wenn man weiß, dass man jemanden davon töten muss, damit die Anderen leben können? Inwiefern ist die Freiheit der Entscheidung noch von Bedeutung wenn jeder aus der Familie dir Gründe ins Gesicht reibt, ihn am Leben zu lassen?

Die Antworten auf diese Fragen müssen wir selbst finden, denn Yorgos Lanthimos treibt uns nur immer tiefer in den Abgrund, bis wir uns mit ihnen auseinandersetzen müssen. The Killing of a Sacred Deer ist ein ungemütlicher, mehrbödiger Terrorfilm geworden, der sich mit seinem grausamen Finale, indem sich Komik und Schock perfekt die Waage halten, nur noch tiefer in den Kopf einbrennt. Das darf man ruhig als plakativ und metaphorisch verscherbelt abstempeln. Ja, man darf diesen vermeintlich prätentiösen Mist auch hassen, wenn man sein Hirn gern auf Sparflamme im Kino stellt. Doch wer sich mit dem Gezeigten auseinandersetzt und Bild für Bild auf sich wirken lässt, wird erkennen, dass The Killing of a Sacred Deer uns selbst für die Erweiterung der Sehgewohnheiten geopfert hat mit einer gewagten Tour de Force. Und einem der besten Filme des Jahres 2017!

Die Bildrechte obliegen dem Verleih ©Alamode Film

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