Jaume Collet Serra ist dem Filmfreund als Spezialist für solide Hausmannskost bekannt. Der Spanier schämt sich nicht seine Filme klar als B-Movies zu adressieren und sorgt mit gut inszenierter Simplizität so gut wie immer für einen spannenden Filmabend. Orphan – Das Waisenkind greift dabei eins der bekanntesten Spannungsmuster für einen Horrorfilm auf: Ein böses Kind. Gut, die Thematik ist bekannt und oftmals ein Aufzieher für dämonische Besessenheit, doch Serra gibt diesem Aufzieher frisches Blut, auch wenn er dem Genre an sich kaum frische Impulse verleihen kann.
Nach einer Fehlgeburt soll ein weiteres Kind ins Hause von Vera Farmiga und Peter Sarsgaard. Doch um die körperlichen und funktionalen Ebenen der Beziehung nicht erneut zu belasten, entscheidet man sich für eine Adoption. Munter und fröhlich segelt also die kleine Esther ins Haus, doch die ist das pure Böse in Person. Orphan – Das Waisenkind jongliert mit den Mustern von Teufelgestalt in Kindern, klassischem Spannungsaufbau innerhalb des Horrorgenres und verarscht den Zuschauer meist damit einen Schreckmoment aufzubauen ohne ihn durchschlagen zu lassen. Natürlich verzichtet man auch hier nicht auf generische Momente, doch sorgt dies nicht für einen Verlust an Spannung und Spaß.
Die Familie soll Motivation und emotionalen Hintergrund bekommen, auch wenn das relativ oberflächlich passiert. Zumindest nimmt sich Jaume Collet Serra ganze zwei Stunden dafür Zeit. Natürlich stockt der Narrationsmotor öfter, doch wie der Hase lang läuft macht der Film direkt in seinem fiesen Opening klar. Und genau diese Marschroute wird bis zum Abspann beibehalten. Orphan – Das Waisenkind ist ein fieser Film mit einer genialen Isabelle Fuhrman, die als diabolisches Kleinkind zum fürchten einlädt. Generell schafft der Film eine gute Basis aus Horror und bösem Psychothriller und verblüfft mit einer Wendung, die man so nicht kommen sieht.
Ehrlich, egal wie sehr man rätselt, der Twist in den letzten 20 Minuten haut ordentlich aus den Latschen und leitet den spannendsten Teil direkt ein. Denn dann ist Orphan – Das Waisenkind ein böser Terrorfilm, der seine Abrechnung erst zehn Sekunden vor Abspann hinausfeuert. Natürlich ist das stellenweise viel zu lang, in seinem Kosmos nicht komplett logisch (aber ehrlich, welcher Horrorfilm ist das schon, aber eben jenes deftig servierte Genrefutter, das wir vom Regisseur gewohnt sind. Und tatsächlich erweist sich die zweite Sichtung als genau so unangenehm.
Empfehlenswert für Halloween weil: Miträtseln, gruseln und in Schockstarre verfallen. Orphan – Das Waisenkind erweist sich als fieser Horrorthriller mit einem großartigen Twist. Als Zusatz gibt es tolle Spannungsmomente, gute Darsteller und nötige Konsequenz im Abgang.
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