Western sind seid vielen Dekaden zu limitierten Highlights in der Kinolandschaft geworden. Besonders der Nicht-amerikanische Western, oft auch tonal dem Anti-Western zuzuordnen, findet in der Indie-Szene vermehrt seinen Weg. Hoch anzurechnen sind in diesem Zusammenhang u.a. der neuseeländische Slow West, S. Craig Zahlers Kannibalen-Western Bone Tomahawk oder Mackenzies Neo-Abgesang Hell or High Water. Mit The Sisters Brothers schafft der französische Regisseur Jaques Audiard sogar letztlich, trotz der großen Vielfalt innerhalb des Genres, ganz eigene, unverwechselbare Qualitäten.
Audiard kehrt zu den Wurzeln des Genres zurück. Nämlich zu beiden: Dem amerikanischen und dem Italowestern. Doch nimmt er diese keinesfalls so hin, wie man sie in der Filmgeschichte vorfindet. Bereits zu Beginn zeigt er sich bildlich distanziert vom altbekannten Image, indem er eine nächtliche Schießerei in natürlichem Licht (nämlich ohne jeglichem Licht) aus der Ferne zeigt. Lediglich das funkende Schießpulver sieht man zwischendurch aufblitzen. Seine berauschende Bildästhetik sei damit bereits zu Beginn gefestigt.
Trotz des abenteuerlichen Plots um die zwei Kopfgeldjäger, den Sisters Brothers, einem vom Kommondor beauftragten Spitzel und einem Gold suchenden Chemiker, interessiert sich Audiard viel mehr um seine komplexen Charaktere. Tatsächlich sind allesamt tiefreichend und unfassbar glaubwürdig gescriptet. Noch dazu sind sie mit John C. Riley, Joaquín Phoenix, Jake Gyllenhaal und Riz Ahmed hochkarätig besetzt – vielleicht einer der besten Casts des Jahres.
Inmitten den teils munteren, spannenden, aber auch zynischen und überaus drastischen Tönen dieses Westerns befinden sich diese für sich sprechenden Figuren, die ebenso Narben, wie Sehnsüchte haben. Somit sieht man mal Riley nachts masturbieren oder Ahmed zu Gyllenhaal warm, geradezu anmutend blickend. Allesamt Sequenzen, die mehr als unkonventionell für das harte Männergenre sind – und darum gleichermaßen so interessant in ihrer Platzierung.
Ja, die Stimmung des Filmes ist vielfältig, dabei jedoch nie endgültig. Selbst wenn er neben Coen’schen Humor auch eine bestialische Abrechnung zelebriert, die in ihrem Ausmaß mehr als erschütternd ist, bilden diese Töne nie die finale Hinführung dieses Westerns, sondern können gleichermaßen wieder verklingen. Das Genre darf damit gleichermaßen romantisiert, wie radikalisiert werden, um währenddessen die ganze Zeit am Realismus zu kratzen.
Audiards The Sisters Brothers ist schlichtweg faszinierend. Als europäischer Vollblut-, Spät- und Anti-Western, der darüberhinaus ein vierköpfiges Charakterdrama ist, scheint sein Abgesang an das Genre nie überkonstruiert, wirr oder abschweifend. Vielleicht mag man mit den letzten 20 Minuten nicht zufrieden sein, da der Film an dieser Stelle länger geht als gedacht. Aber es ergänzt sich inhaltlich viel zu gut, um The Sisters Brothers diesen kleinen Mängel anzukreiden.
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