Platz 10-8: Umwelt, Homosexualität und Kriminalität
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10. mother! (Darren Aronofksy)
mother! ist der cineastisch geilste Fick des Jahres, anders kann man es nicht ausdrücken. Ein in seiner Radikalität ungreifbarer Zelluloidalbtraum, der dem Publikum und den Erwartungen nicht nur eiskalt den Mittelfinger zeigt, sondern den Finger direkt mit voller Wucht in den Allerwertesten zwiebelt. Aronofsky kümmert sich ein Dreck um den generierten Erwartungen (Horrorfilme mit JLAW sind ein doppelter Magnet für viele Zuschauer) und ködert das Publikum gezielt mit einem Starhype, um den Erwartungen anfangs noch mit einem psychologischen Thriller gerecht zu werden. Und dann feuert er nach einem ruhigen ersten Akt aus allen Rohren, streut Metaphern, obszöne Bilder und Anarchismus mit einem solchen Druck heraus, dass man am Ende nur noch mit einem fetten Grinsen im Kino sitzt. Und statt dass er nach der entscheidenden Schlüsselszene eine Schwarzblende in den Abspann einsetzt, verkauft er das ohnehin schon wütende Mainstreampublikum für dumm, indem er seine Vorscheinkomplexität in Simplizismus umwandelt und von allen guten Geistern verlassen eine Geschichte irgendwo zwischen Umweltzerstörung, dem Buch Genesis und der Fragilität einer einseitigen Ehe erzählt. Darren Aronofsky war NIE besser und hat mit mother! eindeutig das geilste Erlebnis des Kinojahres erschaffen.
9. Moonlight (Barry Jenkins)
Millieustudie und Homosexuellendrama. Klingt zuerst nach kalkuliertem Oscar-Verschnitt, doch dauert es nur wenige Minuten bis sich die Authentizität von Barry Jenkins Werk offenbart. In drei Kapiteln sehen wir Ausschnitte aus dem Leben von Chiron. Seine Mutter ist drogenabhängig, seine Sexualität am gleichen Geschlecht orientiert, er wird gehänselt und versucht sich durch das Leben zu schlagen. Moonlight ist ein geerdetes Werk voll leiser Schönheit, die sich in den lebensechten und berührenden Dialogen, den überragenden Darstellern und der umwerfenden Fotografie ausdrückt. Wir werden mit Chiron erwachsen, begleiten ihn als unsichtbaren Betrachter durch die wichtigsten Stationen seiner Zukunftsbestimmung, leiden, fühlen und lieben mit ihm. Er lernt schwimmen mit Juan, er hat seinen ersten Kuss am Strand in einer mondstarken Nacht, trifft im Erwachsenenalter auf seiner Mutter die ihm sagt, dass er sich nicht lieben muss für das, was sie ihm in seiner Kindheit oder besucht seine alte Liebe im Finalakt in einem urigen Diner. Genau in den Momenten, wenn Moonlight das Leben in seiner Schönheit und Schrecklichkeit darstellt und Sonnen- und Schattenseiten sich vereinen, versprüht dieses Drama Poesie, mal mit Euphorie und Endorphinen, mal mit einem dicken fetten Kloß im Hals. In diesem Jahr wird man keinen intimeren Film finden, als diesen. Moonlight ist Magie, ein berührendes Drama, das jeden Preis der Welt verdient hat.
8. Suburra (Stefano Sollima)
Das Drehbuch vermag es zu Beginn noch mit den etlichen Charakteren und den verschiedenen Gruppen zu verwirren, doch mit fortschreitender Handlung entflechtet sich dieses Gestrüpp und man ist als Zuschauer komplett mit den Beziehungen vertraut. Die verschiedenen Charaktere und Perspektiven sind nämlich wichtig, denn Suburra ist stark fokussiert auf seine Personen und deren Handlungen. Hier sticht bereits die Vielschichtigkeit ins Auge. Jede Figur ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, jede Kriminelle ist zugleich Monster, als auch liebender Vater/Mann, jeder in diesem Konstrukt hat seine Handlungsmotivation und vermag es nicht immer rationale Entscheidungen zu treffen. Und audiovisuell ist das umwerfend inszeniert! In ruhigen, statischen Bildern erzählt Sollima seine Geschichte, orientiert sich oft am neongetränkten Kino und hat in Verbindung mit dem Soundtrack des französischen Duos M83 einige Szenen, die Gänsehaut hervorrufen (der umwerfende Einsatz am letzten Tag von „Wait“). Die elektronischen Musikstücke geben der Handlung einen Impuls, lassen die monströsen 135 Minuten wie im Fluge vergehen. In dieser Welt gibt es keine Helden, keine Möglichkeit über Entscheidungen nachzudenken, denn alles könnte im Handumdrehen durch einen Wasserschwall fortgespült werden. Suburra ist tolles Kino, dass hierzulande kaum Aufmerksamkeit genießen durfte. Dieses finstere, brutale und dramtische Gangsterepos verdient es gesehen zu werden.