Es ist wieder soweit: Die zweitschönste Zeit des Jahres erreicht ihren ersten Advent. Auch für dieses Mal haben wir uns etwas einfallen lassen, das euch eingestimmt die Weihnachtstage näher bringen lässt. Dafür haben wir uns den träumerischen Expressionisten Tim Burton und vier seiner weihnachtsthematisierenden Filme herausgepickt. Der Startschuss am heutigen ersten Advent gibt sein glanzvolles Suburban-Fantasy-Drama Edward mit den Scherenhänden. Wir wünschen euch viel Spaß.
Das Gefühl der Nähe und Geborgenheit, welches das Weihnachtsfest so liebevoll definiert, ist besonders inmitten einer verschneiten Winterlandschaft zu spüren, was das Beieinander im trauten Heim noch einen Funken mehr von Wärme verleiht. Doch diese kleine, naturverbundene Magie muss von irgendwo ihren Ursprung haben, fragt sich Burton für seine zum Klassiker angestiegene Weihnachtsgeschichte. Die Antwort ist ebenso schmerzlich wie auch wunderschön personifiziert durch den künstlichen, sozial abgestoßenen Menschen Edward mit den Scherenhänden.
Der Burton der Neunzigerjahre war noch ein Leidenschaftlicher voller Inspirationen. Nicht nur sein Gothic-Stil begeisterte Publikum und Kritiker gleichermaßen, sondern ebenso seine Verarbeitung der Medien- und Kulturlandschaft der Sechzigerjahre. Zu den letzteren gehört zweifelsohne Edward mit den Scherenhänden, der den medialen Kitsch zu jener Zeit auf skurrile Weise untersucht. Dort ist Edward das schwarze Schaf, der wohlmögliche Pre-Punk des kommenden Jahrzehnts, ein kurzerhand eigensinniger Typ, der keinesfalls von der Gesellschaft akzeptiert werden kann.
Burton inszeniert eine scheinheilige Integration, die nur aufgrund der Selbstdarstellung als Gutmenschen von Seiten der Vorstadt-Bürger stattfindet. Eine tatsächliche Näherung ist nur bei der jungen Kim zu beobachten, zuckersüß von Winona Ryder gespielt. Sie nutzt ihn nicht als bloße Dienstleistungskraft, sondern setzt sich mit ihm als Person auseinander. Dass am Ende dennoch eine Welle an gewünschter Lynchjustiz inmitten der surrealen Kleinstadt das Fass überlaufen lässt, rundet das Geschehen als wundervolle Hommage an Frankenstein ab. So zieht sich die Farbgestaltung auch wieder zurück, die wie bereits beim Vorspann in kalten, dennoch beeindruckenden Grautönen verweilt.
Edward mit den Scherenhänden zeigt der Gesellschaft den nötigen Stinkefinger, die nach wie vor vorurteilend in Schubladen denkt. Viel lieber fühlen sich alle in ihren gesellschaftlich akzeptierten Schablonen pudelwohl, wofür das schwarze Schaf isoliert leiden muss. Er und sein Schaffen ist zudem auf schnellste Weise vergessen, sobald alle anderen ihr eigenes Wohl gefunden haben. Wat ‘ne Nächstenliebe! Dabei vergisst der Film nicht die wichtigste Frage zu stellen: Ist nicht jeder irgendwo ein schwarzes Schaf?
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