Platz 4-2: Sternstunden des Kinojahres
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Platz 4: „Song to Song“ von Terrence Malick
Malick geht nach wie vor eine gänzlich andere Richtung als viele andere Filme ein und kostet die Wirkung der Affektivität aus. Sein Inszenierungsstil, welcher zuletzt bei To the Wonder und Knight of Cups weniger berühren konnte, blüht nach dem dritten Versuch zu einer Sinnesberaubung auf, die mit seinen Meisterwerken Der schmale Grat und The Tree of Life ohne Bedenken konkurrieren kann. Der Liebesschmerz, gemixt mit der Orientierungslosigkeit inmitten der berauschenden Musikszene Texas, mag durch die komatöse Kameraführung eines Lubezkis faszinieren. Song to Song verweigert sich jeglichen Konturen, da die Transzendenz der Gefühle dem Subjekt überwiegt. Mich hat es für zwei Stunden high gemacht, süchtig, fühlen lassen.
Platz 3: „Manchester by the Sea“ von Kenneth Lonergan
Manipulatives, selbstbemitleidendes Schicksalsdrama? Falsch. Hier wird sich an die Unantastbarkeit des Individuums herangewagt, dessen Weg zur Bindung die Form des Drehbuches bildet. Lonergan täuscht keine Kenntnis über seinen Protagonisten vor, sondern beobachtet ihn wie einen Fremden auf der Straße. Darüberhinaus sieht er all den seelischen Schmerz ein, den sich niemand vollständig wegdenken kann. Die damit verbundene Gefühlswucht, die die ein oder andere Szene auslöst, bohrt zudem unangenehm tief. Das Resultat ist eines der aufrichtigsten Charakterdramen unserer Zeit, dessen Drehbuch und Hauptdarsteller zurecht den Oscar gewannen.
Platz 2: „mother!“ von Darren Aronofsky
Der ultimative „In die Fresse!“-Film des Jahres. Hier steckt das Vollblut eines größenwahnsinnigen Künstlers fest, dessen Filmographie mit höchstem Respekt begegnet werden sollte (mit Ausnahme von Noah). In mother! geht es nicht nur um die inhaltliche Aufarbeitung der Bibel, wo ebenso der Übergang von Religion zum krankhaften Kult, wie auch der Sexismus ins Augenmerk fällt. Aber nein, Aronofsky konstruiert darüberhinaus die drastischste Visualisierung einer ökologischen Kritik, wie es die Leinwand jemals gesehen hat. Und als wäre das nicht genug, gibt er der Austauschbarkeit der gesamten Menschheit, wie auch individueller betrachtet die Austauschbarkeit des Liebe schenkenden Sexualpartners, eine blutige Cockschelle. Dieser Film ist die Abrechnung mit unserer menschlichen Existenz – in 105 Minuten zusammengefasst. So viel Größenwahn muss Liebe geschenkt werden.